Heinrich Bertsch - Erfinder und Industriekapitän in NS-Zeit und DDR

von Dr. Wolfgang Uhlmann

Geboren am 11.1.1897 in Rosenfeld/Württemberg als Sohn eines Volksschullehrers besuchte Heinrich Bertsch Schulen in seiner Geburtsstadt und in Ludwigsburg. 1916 absolvierte er die Reifeprüfung. Nach dem Kriegsdienst beim Heer wurde er 1919 als Leutnant der Landwehr entlassen. Ab 1919 studierte er an der Technischen Hochschule Stuttgart Chemische Technologie und schloss 1922 mit der Promotion zum Dr.-Ing. ab.

Nach Tätigkeit als Betriebschemiker (1922 – 1924) bei Deutsche DEGRAS AG, Dresden, erfolgte 1924 die Anstellung in der H. Th. Böhme AG, Chemnitz, als Chemiker für wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet der Textilhilfsmittel und drei Jahre später die Ernennung zum Chefchemiker. Hier forschte Bertsch an der Sulfierung von Ölen. 1925 meldete er das Patent "Verfahren zur Herstellung türkischrotölartiger Produkte" an. Unter seiner Leitung wurde dann 1932 das erste vollsynthetische Waschmittel der Welt, das FEWA (Feinwaschmittel), entwickelt, das sich gegenüber den anderen Waschmitteln dadurch auszeichnete, dass es besonders faserschonend war. Die Bestandteile dieses Feinwaschmittels sind folgende: 35 % Fettalkoholsulfat, 2 % Fettalkohl, 1 % Hexametaphosphat, 5 % Wasser, 57 % Natriumsulfat. Dank einer ausgefeilten Werbestrategie, in der man sich des neuen Mediums Film bediente, und dem heute noch bekannten Maskottchen der „Fewa Johanna“ fand das neue Waschmittel Eingang in viele Haushalte.

1935 erfolgte die Berufung von Bertsch zum stellvertretenden Geschäftsführer der Böhme-Fettchemie GmbH, die von Henkel & Cie (Düsseldorf) übernommen worden war. 1939 übernahm Bertsch die Leitung der Deutschen Hydrierwerke Rodleben, ebenfalls einem Henkel-Unternehmen. Ab 1941 gehörte Bertsch zum Vorstand von Henkel & Cie. Dass bei den Hydrierwerken und auch in anderen Henkel-Unternehmen in starkem Maße Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, ist bekannt, welche Rolle Bertsch dabei spielte, jedoch kaum erforscht.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges übernahm Bertsch für einige Jahre wissenschafts- und industrieorganisatorische Aufgaben: 1945 die Gesamtleitung der Böhme Fettchemie Gesellschaft mbH Chemnitz, 1946 nach zusätzlich die Direktion der Industrie- und Handelskammer Chemnitz, ab 1949 Leitung der Hauptverwaltung Chemie des Deutschen Wirtschaftsrates (DWR), 1950 Leiter der Hauptverwaltung Chemie beim Minister für Industrie der Regierung der DDR (bis 1954). 1953 erfolgte die Berufung zum Professor mit Lehrauftrag für Chemische Technologie und zum Direktor für Chemische Technologie an der Humboldt-Universität Berlin.

Fewa wurde nach dem Krieg von der VEB Fettchemie Karl-Marx-Stadt weiterproduziert, während in Westdeutschland Henkel ein Waschmittel unter demselben Namen verkaufte.

Heinrich Bertsch war in der DDR Mitglied zahlreicher Gremien: Kommission für kernphysikalische Forschung, Vorsitzender der Kommission Schwarze Pumpe, Forschungsgemeinschaft der naturwissenschaftlichen, technischen und medizinischen Institute, Vorsitzender der Sektion Chemie der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Wissenschaftlicher Berater des Ministers für Schwerindustrie der DDR, Forschungsrat der DDR.

1958 übernahm Bertsch die Leitung des neu gegründeten Instituts für Fettchemie bei der Akademie der Wissenschaften. 1966 beendete er seine berufliche Tätigkeit. Er starb am 19. März 1981 in Berlin.

 
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